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Brief der Mitglieder der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag an den Landtagspräsidenten Dr. Rößler und den Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz

Foto: landtag.sachsen.de

Der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Vaatz,

die öffentliche Debatte um die Gestaltung der Feierstunde des Sächsischen Landtags zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2020 hält an. Sie wird, zu unserem Bedauern, inzwischen als Debatte um die Person Arnold Vaatz geführt. Eine solche Personendebatte ist nicht in unserem Sinne.

Unsere Kritik gilt dem konkreten Sachverhalt. Mit der Einladung einer Person zu einer Rede im Plenarsaal senden Parlamente – und so auch der Sächsische Landtag – ein starkes Signal. Dieses Signal lautet: „Diese Person hat eine wichtige Botschaft; eine Botschaft, die von so hohem Wert ist, dass das Parlament eine Bühne bietet.“

Mit Blick auf diese Signalwirkung haben wir die Entscheidung des Landtagspräsidenten kritisiert. Für uns ist der Tag der Deutschen Einheit ein sehr besonderer Tag. Er gibt Anlass zur Freude und zum Feiern von Gemeinsamkeiten, zur Benennung dessen, was uns noch trennt und zur Suche nach Verbindendem. In diesem Sinne sind uns viele Reden der vergangenen Jahre – beispielsweise von Freya Klier, Christopher Clark oder auch Ulrich Wickert – in sehr guter Erinnerung.

Das zeigt: Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident, sind in der Vergangenheit viele dieser Einladungsentscheidungen, die Sie stets allein treffen, geglückt. Im aktuellen Jahr war Ihre Entscheidung keine gute. Denn Sie, sehr geehrter Herr Vaatz, haben ohne Zweifel enorme Verdienste rund um die Friedliche Revolution, die Wiederherstellung des sächsischen Parlamentarismus und den Weg zur Deutschen Einheit. Das findet unsere uneingeschränkte Anerkennung.

Heute allerdings, dreißig Jahre später, wirken viele Ihrer öffentlichen Äußerungen auf uns trennend, spaltend, polarisierend und eben nicht verbindend, nicht suchend und nicht integrierend. Unbestritten ist Ihr Recht, sich so zu äußern. Wir nehmen Ihre Wortmeldungen zur Kenntnis und setzen uns mit ihnen auseinander. Gleichermaßen unbestritten ist unser Recht, die Wahl des Festredners für einen feierlichen Parlamentsakt, in dem offener Widerspruch nicht vorgesehen ist, und an einem Tag, der das Verbindende hervorheben sollte, für falsch zu halten.

Wir haben im Vorfeld der Entscheidung keine Gelegenheit erhalten, sie zu beeinflussen. Wir haben nach Verkündung der Entscheidung mehrere Versuche unternommen, eine Veränderung herbeizuführen. Unsere Bemühungen wurden nicht gehört. Deshalb werden wir dem Festakt nicht beiwohnen.

Alles in allem halten wir den Vorgang für unglücklich, die entstandene Situation für misslich. Doch die Grundsätzlichkeit und Schärfe, mit welcher die Debatte inzwischen von mancher Seite geführt wird, scheint uns angesichts der doch übersichtlichen Tragweite des Vorfalls übertrieben. Fehlentscheidungen und kritikwürdige Äußerungen gibt es immer wieder, das ist menschlich und auch wir sind hiervon nicht frei.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Panter, Sabine Friedel, Hanka Kliese, Henning Homann, Martin Dulig, Simone Lang, Holger Mann, Albrecht Pallas, Frank Richter, Volkmar Winkler