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Die Gemeinschaftsschule kommt!

Bildungspolitischer Erfolg und Gewinn für die Demokratie

PRESSEMITTEILUNG

Frank Richter, MdL, Mitglied der SPD-Fraktion und Abgeordneter im Wahlkreis Meißen begrüßt die heutige bildungspolitische Entscheidung des Landtags: „Die Gemeinschaftsschule kommt. Das ist ein bildungspolitischer Erfolg. Zugleich ist es ein guter Tag für die Demokratie in Sachsen. Ich danke allen, die sich engagiert haben! Nun kommt es auf die Praxis an.“

Ein Lehrstück in Punkto Demokratie

Was die Abgeordneten des Sächsischen Landtags heute, am 15. Juli 2020, mehrheitlich beschlossen haben, ist das erfolgreiche Ende einer langen, bildungspolitischen Auseinandersetzung. Seit vielen Jahren setzte sich das von der Basis der Bevölkerung ausgegangene Bündnis „Gemeinschaftsschule in Sachsen“ dafür ein, den Schülerinnen und Schülern auch in unserem Bundesland ein längeres gemeinsames Lernen zu ermöglichen. 

In den Jahren 2018 und 2019 sammelte das Bündnis Unterschriften. Viele Gruppen, Vereine und Institutionen beteiligten sich. Politisch bekam die Initiative Unterstützung von der sächsischen SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und von der Partei Die Linke. Die SPD machte die Einführung der Gemeinschaftsschule zur Bedingung für den Eintritt in die Koalition. 

Am Ende waren es über 50.000 Menschen, die den Volksantrag „Längeres gemeinsames Lernen in Sachsen“ unterschrieben hatten. Dieser wurde am 16. August 2019 dem Landtagspräsidenten übergeben. Nach Anhörungen und mehreren Debatten erfolgten heute die abschließende Beratung und die Abstimmung im Parlament. Das „Gesetz zur Einführung der Gemeinschaftsschule“ wird voraussichtlich am 1. August 2020 in Kraft treten. 

Auch wenn es den Volksantrag nicht 1:1 umsetzt, so nimmt es doch das wesentliche Anliegen auf und ermöglicht die Einführung der Gemeinschaftsschule im Freistaat Sachsen. 

Wo und wann Gemeinschaftsschulen entstehen, liegt nun vor allem in der Verantwortung vor Ort. Die Schulen entscheiden selbst, ob sie ein längeres gemeinsames Lernen ermöglichen wollen. Zwei entscheidende Schritte auf dem Weg dahin sind die Erarbeitung eines pädagogischen Konzepts und der Wille der Schulkonferenz, d. h. der Versammlung aus Schülerrat, Lehrerschaft, Elternvertretung und Schulträger. Die Prüfung und Entscheidung des Ministeriums erfolgt danach. Keiner Schule wird etwas von oben aufgedrängt. Die Einführung der Gemeinschaftsschule geht von unten aus. Deshalb ist sie auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Basisdemokratie in Sachsen. 

Ein pädagogischer Fortschritt

Im Landtagswahlkampfes 2019 habe ich in ungezählten Gesprächen erfahren, dass diese Initiative vor allem vom Unmut über die frühe Aufteilung der Kinder in Oberschüler und Gymnasiasten getrieben wurde. Viele, besonders ältere Gesprächspartner, erinnerten sich noch gut an das Schulsystem in der DDR. Genauso wie sie die ideologische Vereinnahmung ablehnten, fanden sie das gemeinsame Lernen bis zur 8. Klasse in Ordnung. 

Heutzutage bestreitet niemand, dass unsere auf Konkurrenz und Wettbewerb orientierte Gesellschaft dringend mehr Zusammenhalt und Solidarität benötigt. Deshalb löst es Protest aus, dass Kinder schon am Ende der vierten Klasse eine Aufteilung erfahren, die einen tiefen Einschnitt in ihre Bildungsbiografie und damit in ihr weiteres Leben bedeutet. 

Die Fortschritte in Bildung und Erziehung zeigen sich keineswegs nur in guten Zensuren. Sie hängen genauso ab von verlässlichen und guten Beziehungen. Vertrauen braucht Zeit, um zu wachsen. Dies gilt keineswegs nur für Lehrer und Schüler. Es gilt gleichermaßen für die Freundschaften, die im Schulalltag entstehen. Es gilt für das ganze Beziehungsgefüge, das in der Schule und im Umfeld der Schule entsteht. Es gilt für Eltern, Großeltern, für haupt- und ehrenamtliche Erzieherinnen, für Sozialpädagogen und für viele andere mehr.

Unsere Aufmerksamkeit in Punkto Schule darf nicht nur auf dem liegen, was die Gesellschaft von der nachwachsenden Generation erwartet und was sich in den Lehrplänen widerspiegelt. Sie muss ebenso im Blick haben, was Kinder und Jugendliche brauchen, um eine starke Persönlichkeit auszubilden und motiviert ins Leben zu gehen. Die Schule muss ihnen helfen, sich zu zuversichtlichen, leistungswilligen, gemeinschaftsfähigen, sich solidarisch und demokratisch verhaltenden Mitbürgern zu entwickeln. 

Um es zugespitzt zu sagen: Die Schule ist für die Schüler da. Schule muss von ihnen her gedacht und entwickelt werden. Gäbe es keine Schüler, bräuchte es keine Schule. 

Ich sehe in der Einführung der Gemeinschaftsschule einen bildungspolitischen Erfolg und ein gutes Lehrstück in Punkto Demokratie. Ich danke allen, die sich dafür engagiert haben.

Frank Richter, MdL

SPD Fraktion im Sächsischen Landtag

Meißen, 15.07.2020

Kommentar in der SZ vom 16.7.2020