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Zum Tod von Hans Modrow

Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Ich habe Hans Modrow mehrfach in Diskussionsrunden erlebt. Es gab immer große Unterschiede zwischen uns. Die moralischen und politischen Bewertungen der DDR-Wirklichkeit konnten verschiedener nicht sein. Aber: Ich habe ihn immer erlebt als einen fairen, emphatischen, klugen und sachlichen Gesprächspartner.

Hans Modrow war Teil des Machtapparates der SED. Er hat ein System mitgetragen, das die Menschenrechte missachtete. Zugleich verbanden viele Menschen – auch im Westen – mit seinem Namen eine kleine, letztlich überschätzte Hoffnung. 

Hans Modrow war kein Apparatschik. Er sprach eine Sprache, die jeder vernünftige Mensch verstand. Die Bezeichnung ‚Gorbatschow der DDR‘ war übertrieben; aber die Personifizierung der ersehnten Aussicht, es könne auch einmal einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz geben, war er schon. 

Viele Menschen, vor allem die Mitglieder der SED sahen in ihm einen Genossen, der die sozialistischen Ideale nicht nur predigte, sondern lebte. 

Dass die Revolution ab dem 8. Oktober 1989 friedlich blieb, ist auch ihm zu verdanken. Dass Helmut Kohl am 19. Dezember in Dresden empfangen wurde, hätte gegen oder ohne ihn nicht funktioniert. Der Jubel am Abend dieses Tages galt dem Bundeskanzler. Hans Modrow stand im Hintergrund. Aber: Er wurde nicht ausgepfiffen.

Die allermeisten hatten – in der Zeit des Übergangs – guten Grund anzunehmen, dass er nicht gegen sie arbeitet. Natürlich wollte er den sozialistischen Staat retten, es war den Staat seiner Ideale und seines politischen Wirkens. Dass dies misslang, war folgerichtig und macht ihn irgendwie auch zu einer tragischen Figur. Dass er sich trotz alledem seine Freundlichkeit im Umgang mit anderen bewahrt hat, macht ihn für mich sympathisch. Mit Hans Modrow ist ein Mensch gestorben, den ich ehrlichen Herzens respektiere. 

Frank Richter, MdL 

Hier gehts zur Tagesschau vom 11.2.23 – der Beitrag Beginn bei 8:15

Hier gehts zum Beitrag im mdr-Sachsenspiegel von 11.2.23

Hier geht zu einem Artikel von Andreas Herrmann im „Sonntag“ vom 7.4.2019

Hier geht zu einem Historischen Ton-Dokument: Bundeskanzler Kohl am 19. Dezember 1989 vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche – Zehntausende jubeln – Radio DDR, Sender Dresden kommentiert live