Foto: Gestrandete Menschen an der Grenze zwischen Belarus und Polen ©Leonid Scheglov/BelTA/Handout via REUTERS
Der inzwischen leider verstorbene Sozialpolitiker Norbert Blüm schrieb uns im März 2016 anlässlich seines Aufenthalts im griechischen Flüchtlingslager Idomeni ins Gewissen:
„Schwer bewacht, schwer beschützt vor den Kindern. Stacheldraht gegen Kinder, nicht gegen Armeen. Hier sollen Kinder hängen bleiben und nicht durchkommen. Das ist keine Panzersperre, das ist eine Menschensperre. Europa, schäm dich!“
Ein Hungernder braucht Brot. Ein Frierender braucht eine Decke. Ein Müder braucht ein Bett. Ein Verzweifelter braucht Zuwendung.
Wer sind wir denn, wollten wir nicht demjenigen helfen, der dieser Hilfe dringend bedarf? Einfach Wegsehen – erfüllt in einer solchen Situation zumindest ethisch-moralisch den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung.
Unlängst erinnerten wir, jährlich wiederkehrend, des besonderen Deutschen Tages in der Geschichte, des 9. November. Der Tag ist fürwahr sehr ambivalent. Aber wir sind uns doch ganz sicher alle einig, dass der 9. November 1989 ein ganz besonders erfreulicher Tag in unserer Geschichte ist. Das ist der Tag, an welchem die Mauer fiel und das Menschenrecht der Freizügigkeit endlich auch für Menschen in der damaligen DDR Wirklichkeit wurde.
Wir können nicht freudig an den Mauerfall am 9. November 1989 erinnern und gleichzeitig die Errichtung von Mauern fordern, um Menschen daran zu hindern, zu uns zu gelangen. Wir forderten 1989 Freizügigkeit und Reisefreiheit für uns. Wir sind uns gewiss einig, es wäre doch unanständig, wenn man für sich etwas fordert, was dann für andere absolut nicht gelten darf. Wir alle sind ganz gewiss dazu erzogen worden, mitfühlend und empathisch zu sein, auch und gerade den Schwachen gegenüber.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ Da gibt es nichts Einschränkendes, nichts Relativierendes. Das gilt einfach für jeden. Punkt.
Wenn das UNHCR von dramatischen Zuständen an der polnisch-belarussischen Grenze spricht, dann kann und darf uns das nicht kalt lassen. Es müsse darum gehen, Todesfälle zu verhindern – so das UNHCR (Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen). Bilder notleidender Menschen dürfen uns nicht ungerührt lassen, um unserer selbst willen. Wegschauen geht nicht. Aushalten geht nicht.
Der Sächsische Landtag ist nicht für die Außenpolitik zuständig.
Wenn wir es denn aber können, Schwachen und Beladenen zu helfen, dafür sind wir sehr wohl zuständig. Die Frage, welche wir uns gewissenhaft selbst stellen müssen – um unserer Menschlichkeit willen (!), um unserer guten Erziehung willen (!), um unserer Barmherzigkeit willen (!) – ist die Frage, wie wir konkret helfen können. Humanitäre Hilfe ist unerlässlich, ist gar überlebensnotwenig, für manche Kranke, Kinder, Schwache.
Laut RND (Redaktionsnetzwerk Deutschland) gibt es inzwischen bereits mindestens 9 Todesfälle zu beklagen. Lassen Sie uns bitte gemeinsam einen nennenswerten konkreten Beitrag leisten, dass wir dafür sorgen, dass nicht noch mehr Menschen ihr Leben lassen müssen an einer Grenze, welche keine 1000 Kilometer entfernt von uns ist.
Viele von uns sind Christen, andere stehen den christlichen Werten zumindest nahe. Lassen Sie uns so handeln, wie es einem guten Christen gebührt.
Wir müssen um unserer selbst willen menschlich handeln.
Bernd Mönch, 17. November 2021
hier gehts zu einem Beitrag auf der Süddeutschen Zeitung online vom 19.11.21
hier gehts zu einem Beitrag im mdr-Sachsenspiegel vom 19.11.21
ein Beitrag im MDR-Sachsenspiegel