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Kein Geld für Asyl-Projekt in Mittelsachsen: So soll Integration dennoch gelingen

Foto: screenshot Freie Presse

Hier ein Interview mit der Freien Presse am 1.11.23

Der Landrat fordert in Freiberg, dass Geflüchtete schneller in Arbeit und Ausbildung kommen. Ein Modellprojekt wird aber nicht gefördert. Im Interview spricht Dirk Neubauer über Integration und Abschiebungen.

Freie Presse: Mit dem Projekt „Integra 23“ wollte der Landkreis Geflüchtete schneller integrieren. Nun steht fest, dass es keine Fördermittel dafür gibt. Was wollen Sie jetzt tun?

Dirk Neubauer: Wir sind trotz Ablehnung durch den Bund dran. Es gibt keinen Termin mit Ministern, bei dem ich das nicht anspreche. Ich bin sauer, dass wir nicht vorwärts kommen. Auch deshalb, weil die Diskussion zur Asylpolitik im Land berechtigt ist und wir zu lange brauchen, Menschen in Arbeit zu bringen. Fakt ist, wir brauchen neben einer Begrenzung der illegalen Migration endlich eine wirkliche Integrationspolitik. Denn: Ein Großteil der Probleme ist auf Mängel bei der Integration zurückzuführen. Wir verlassen uns auf Ehrenamt, und parallel schicken wir Menschen in den ewigen Erwerb von Sprachzertifikaten, statt sie schnell in den Arbeitsprozess einzugliedern und ihnen den Weg so zu ebnen.

Abrechnung mit der Integrationspolitik: „Drei Jahre durchhalten“

FP: Also mehr Akzeptanz auch durch Integration?

Neubauer: Viele Menschen sagen: Ich muss arbeiten, die Geflüchteten kriegen alles. All die Debatten, wenn sie auf die Unterkünfte schauen und kritisieren, dass gesunde, oft junge Menschen nicht arbeiten, während die Gesellschaft dies mittragen muss. Das ist aus der Perspektive desjenigen, der das sagt, nachvollziehbar. Und gerade das ist der Ansatz dieses Integrationskonzepts, dem entgegen zu wirken. Wir wollen raus aus dem Wir-schließen-euch-weg für Monate, bis ein Sprachkurs losgeht, an dessen Ende nach Jahren ein Sprachzertifikat steht und dann erst Integration in die Arbeitswelt beginnt. Das kann bedeuten, dass jemand drei Jahre durchhalten, seine Motivation aufrechterhalten muss. Und seinen Glauben daran, dass dieses Land ihn haben will. Der Grundfehler seit 2015 ist genau das. Arbeit und Sprache kann man verbinden. Beides sind Schlüssel für Akzeptanz und Selbstbestimmtheit. Ganz viele Menschen sind sehr motiviert. Und wir brauchen sie an vielen Stellen. Was liegt näher, als dies zusammenzubringen?

FP: Nun bekommen Sie ja das Geld nicht für Ihren Weg der Integration. Bedeutet es das Aus für „Integra 23“?

Neubauer: Dann wird es vielleicht 2024. Wir haben das Thema in der Sitzung des Sächsischen Kabinetts in Freiberg angesprochen. Der Ministerpräsident hat den Fachministerien als Auftrag erteilt, einen anderen Weg für das Anliegen zu finden.

FP: Mit welchem Ergebnis?

Neubauer: Bisher ist nicht viel passiert. Es gab zwei, drei Rückfragen, per E-Mail. Doch unser Ministerpräsident hat den Auftrag erteilt, zu prüfen, wie es funktionieren kann. Darauf verlasse ich mich. Und wir werden mit Nachdruck daran erinnern, weil ich glaube, es kann nichts Falsches daran sein, Menschen, die integriert werden wollen, zu integrieren – zu unserem Nutzen, wohlgemerkt. Denn auf der einen Seite bringen wir Menschen unter und versorgen sie. Da ist es auf der anderen Seite legitim, nach dem Nutzen zu fragen.

Hoffnung auf Ministerpräsident Michael Kretschmer: „Brauchen zwei Millionen Euro für zwei Jahre“

FP: Welche Erwartung haben sie konkret an Kretschmer?

Neubauer: Wir brauchen für das Konzept zwei Millionen Euro für zwei Jahre. Dann könnten wir es schaffen, dass Geflüchtete vom ersten Tag an in Bewegung bleiben. Sofort einfache Sprache, sofort in Probearbeit, dann in Vermittlung. Handwerk und Wirtschaft signalisieren uns, dass dies klappen kann. Wenn sich dies bewährt, sparen wir langfristig viel Geld und finden Arbeitskräfte für Jobs, die sonst unbesetzt bleiben. Wir haben bereits viele solcher Geschichten. Wir brauchen mehr davon.

FP: Was ist mit denen, die diese Einladung nicht annehmen?

Neubauer: Wir wollen Integration gut und neu gestalten. Eine Chance bieten, statt bürokratischen Hürdenlauf. Wenn dies funktioniert, wäre es der schnelle Weg in die Gesellschaft. Wer dieses Angebot nicht annimmt, der gibt uns jedoch auch ein Signal. Nämlich, dass er an Integration möglicherweise nicht interessiert ist. Und gibt es keine schwerwiegenden, nachvollziehbaren Gründe, muss dann das Bleiberecht hinterfragt werden. (grit)

Neue Wege für die Integration

Das Programm „Integra 23“ sollte zwischen 2024 bis 2027 Migranten u.a. die deutsche Sprache schnell vermitteln und über Eignungstests und Probearbeit eine gezielte Vermittlung in Arbeit ermöglichen. Doch EU-Fördermittel sind abgelehnt worden.

Dirk Neubauer hat im Kreistag fünf Forderungen zur Asylpolitik an die Landes- und Bundesregierung vorgestellt. So müsse die illegale Migration schnellstmöglich begrenzt und Geflüchtete in Europa gerecht verteilt werden. Dem Landkreis müssten ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Unterbringung und Integration der Geflüchteten, die bereits im Land sind, auskömmlich finanzieren zu können. Die mit der Migration verbundenen Aufwendungen, insbesondere Sozialkosten, dürften nicht weiter zu Lasten des Landkreises oder seiner Städte und Gemeinden gehen. Die weitere Integration Geflüchteter in Arbeit und Ausbildung müsse beschleunigt werden. Außerdem müssten jene konsequent abgeschoben werden, die keine Bleibeperspektive haben, aus sicheren Drittstaaten kommen oder nicht bereit sind, sich ins Land friedlich zu integrieren. (grit)