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Suizide und Suizidversuche – die schwärzeste Seite im dunklen Kapitel der Abschiebepraxis

Pressemitteilung der Landesdirektion Sachsen:

Suizid eines abgelehnten Asylbewerbers bei versuchter Überstellung in die Niederlande

16.10.2023, 11:47 Uhr — Erstveröffentlichung (aktuell)

Heute Morgen kam es in Hainichen beim Versuch der Überstellung eines Asylbewerbers nigerianischer Staatsangehörigkeit (33) entsprechend der Dublin III-Verordnung in die Niederlande zum Suizid. Beim Packen seiner persönlichen Gegenstände in der Wohnung in der Straße Ottendorfer Hang sprang dieser unvermittelt vom Balkon seines Zimmers im 5. Stock in rund 15 Meter Tiefe. Einer der eingesetzten Polizeibeamten konnte den Mann während des Absprungs noch am Arm greifen, den tödlichen Sturz jedoch nicht verhindern. Trotz sofortig eingeleiteter medizinischer Maßnahmen erlag der Mann noch vor Ort seinen schweren Verletzungen. Hinweise auf psychische Erkrankungen des Verstorbenen lagen nicht vor.

Hintergrund:

Im Rahmen des Dublin-Verfahrens wird festgestellt, welcher EU-Mitgliedstaat zur Prüfung des gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Damit wird bezweckt, dass jeder Asylantrag, der auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gestellt wird, materiell-rechtlich nur durch einen Staat geprüft wird. Die Überstellung muss nach Zuständigkeitsfeststellung grundsätzlich binnen 6 Monaten erfolgen.

Frank Richter:

Suizide und Suizidversuche im Zusammenhang von Abschiebungen sind leider keine Einzelfälle. Nur selten wird darüber berichtet. Das Sächsische Innenministerium ist äußerst zurückhaltend bei der Herausgabe von Informationen. Ich habe mir bei zwei Besuchen im Abschiebegefängnis Dresden ein eigenes Bild davon machen können, dass Suizidvermeidung einen großen Anteil der Arbeit und Aufmerksamkeit der dort Tätigen ausmacht. All das zeigt, dass viele Menschen aus Verzweiflung zu uns geflohen sind, aus Angst vor Krieg und Verfolgung – und nicht, um in die „Sozialsysteme einzuwandern“, wie von AfD-Politikern und manchen rechten Konservativen behauptet wird. Wenn sich ein Mensch lieber das Leben nimmt, als abgeschoben zu werden, beweist das den Zynismus dieser billigen und pauschalen Falschbehauptung. Wer eine Rückführungsoffensive oder „Abschiebeerleichtung“ fordert, muss erklären, wie er dies praktisch umsetzen will, ohne noch mehr Leid zu produzieren. Der muss sagen, wann und wie das alles gehen soll, wie viele Polizisten er dafür freistellen will – wir haben schon jetzt zu wenige – und wie er verhindern will, dass unsere ganze Gesellschaft auf eine humanitäre Rutschbahn nach unten gerät. Die sächsische Abschiebepraxis ist ein Kapitel mit vielen dunklen Seiten (Abschiebung von Familien mit kleinen Kindern, Inhaftierung von Kindern aus Schulwegen, Inhaftierung von Asylbewerbern auf dem Gesundheitsamt). Die schwärzeste Seite sind Suizide und Suizidversuche von Flüchtlingen, traumatisierte Polizisten und das Wegschauen der Öffentlichkeit.

Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen

Hier ein Artikel in der Sächsischen Zeitung

Hier ein Artikel vom 16.10.23 in der Freien Presse

Hier ein Artikel vom 17.10.23 in der Freien Presse