zur Übersicht

Was treibt den sächsischen Ministerpräsidenten?

Theo Müller bekommt während einer Reise von Ministerpräsident Michael Kretschmer in die Schweiz den Verdienstorden von Sachsen verliehen. © Pawel Sosnowski

Am Sonntagabend konnte man in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ 1 einen sichtlich genervten und unsachlichen Ministerpräsidenten erleben. Er war absolut nicht bereit, auf sachliche, berechtigte und seriöse Fragen, befriedigende Antworten zu geben oder auch nur inhaltlich zu antworten. Sicher ist die Entwicklung der Pandemie höchst besorgniserregend, zumindest für die meisten von uns. Dennoch muss es möglich sein, dass verantwortliche politische Entscheidungsträger sich kritischen Fragen stellen müssen, zumal das Corona-Thema inzwischen nicht mehr ganz so neu ist. Hanebüchen wird es, wenn dann der kommenden, noch überhaupt gar nicht im Amt befindlichen Bundesregierung schon mehr an Schuld und Verantwortung für bisherige Fehl- oder zumindest Minderleistungen in Sachen Corona-Politik zugeschoben wird, als denjenigen, welche bis jetzt amtieren und dies meines Wissens auch durchaus schon mehrere Jahre. Auch in der Verantwortung einer Landesregierung liegt allerhand, was wohl niemand bestreiten wird, da die föderalen Strukturen manchem von uns in letzter Zeit nicht nur als Segen erschienen. Ganz schlimm wird es, wenn der MP, fast schon im Stile von Verschwörungserzählungen, erklärt, dass „Berlin-Mitte“ sich verweigere und seiner Verantwortung nicht gerecht würde. Was soll das? Was soll hier die Botschaft sein? Wem hilft eine solch zweifelhafte Schuldzuweisung?

In diesen Tagen spitzt sich die Lage an der östlichen EU-Außengrenze zu. Polen versucht, Flüchtlinge abzuwehren. Viele Menschen haben kaum das Lebensnotwendige. Bei einsetzenden nächtlichen Minusgraden droht der Erfrierungstod. Das ist wahrlich eine humanitäre Katastrophe. Das grundlegende Menschenrecht ist doch der Schutz des Lebens. Der sächsische Ministerpräsident sieht als dringend notwendige Lösung die Errichtung von Zäunen und Mauern.Stammt er nicht auch aus den sogenannten neuen Bundesländern? Begrüßte er nicht auch – und dies gewiss jährlich wiederkehrend an jedem 9. November – den Fall der Mauer? Verlangt humanes oder christliches Handeln nicht, dem Bedrückten und Bedrängten zu helfen? Wären Brot und eine Schlafstatt nicht vielmehr das Gebot der Stunde?

Zu den seltsamen Verwirrungen und Entgleisungen des sächsischen Ministerpräsidenten gehört die höchst fragwürdige, wenn nicht gar skandalöse Entscheidung, dem Müller-Milch-Milliardär Theo den Sächsischen Verdienstorden nachzuwerfen.3 Hierzu musste eine große sächsische Regierungsdelegation extra in die Schweiz reisen, um den Orden  in einem Luxushotel zu überreichen. Das ganze Unterfangen soll den sächsischen Steuerzahler mindestens 20000 € gekostet haben, nach wohl eher defensiver Schätzung.4 Diese hohe Auszeichnung soll „als Zeichen dankbarer Anerkennung für hervorragende Verdienste um den Freistaat Sachsen und seine Bevölkerung … verliehen [werden]. Ihn können in- und ausländische Persönlichkeiten für Leistungen erhalten, die insbesondere im politischen, sozialen, kulturellen oder wirtschaftlichen Bereich sowie auf dem Gebiet der Umwelt dem Wohl der Allgemeinheit dienen.“5 Müller hat aus Anlass seiner Ordensverleihung sehr deutlich formuliert, was ihn das Gemeinwohl und die Gesellschaft interessieren. Er hat seine Motive unzweifelhaft formuliert und damit dem MP und dessen sehr wohlwollend honoriger Laudatio amüsiert widersprochen. Aus seiner Sicht müsse sich ein guter Unternehmer nur um drei Dinge kümmern: „Erstens um Gewinn, zweitens um Gewinn, drittens um Gewinn.“6  Müller war der Orden ausdrücklich auf Initiative des MP zugesprochen worden. Als das Thema im Sächsischen Landtag hochkochte, verstieg sich der Ministerpräsident zu der unwahren Aussage, dass die Regierungspartner nichts gegen diese Ordensverleihung einzuwenden gehabt hätten.7 Inzwischen gilt diese Aussage als völlig unzutreffend. Vielmehr steht die Frage im Raum, ob der MP im Parlament wissentlich falsche Aussagen getroffen habe.8

Ich möchte meine fragende und zweifelnde Aufzählung an dieser Stelle schließen, obwohl mir durchaus noch mehr Beispiele geläufig sind, welche dem sächsischen Ministerpräsidenten meiner Auffassung nach überhaupt nicht zur Ehre gereichen. Es bleibt die Frage, was ihn eigentlich antreibt. Was ist seine Motivation? Hat er ein tragfähiges Wertefundament? Hat er tatsächlich gute und verlässliche Berater an seiner Seite?

Wer jetzt meint, mir ginge es zuvörderst um den Sturz des amtierenden MP, der irrt. Ich sehe in der sächsischen Union tatsächlich niemanden, dem ich ernsthaft zutraute, es besser machen zu können. Vielmehr wünschte ich mir bei allen politischen Akteuren ein verlässliches und belastbares ethisch-moralisches Fundament. Das bloße Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie genügen da nicht. Es bedarf schon etwas mehr. In was für einem Land wollen wir eigentlich leben? Über solche grundsätzlichen Positionen möchte ich schon ernsthaft nachdenken und streiten. Dazu bedarf es aber dringend eines Gegenübers auf Augenhöhe – ethisch-moralisch und überhaupt.

Bernd Mönch, 10. November 2021

1 https://www.zdf.de/politik/berlin-direkt/berlin-direkt-vom-7-november-2021-100.html

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/politik/kretschmer-eu-aussengrenzen-mauern-100.html

3  https://www.saechsische.de/sachsen/ehrung-am-zuerich-see-leppersdorf-sachsenmilch-molkerei-theo-mueller-5509765-plus.html

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/dresden-radebeul/aerger-nominierung-mueller-milch-unternehmerpreis-100.html

5 https://www.geschichte.sachsen.de/saechsischer-verdienstorden-3951.html

https://www.saechsische.de/wirtschaft/theo-mueller-muellermilch-orden-schweiz-kretschmer-5525582-plus.html

https://www.saechsische.de/sachsen/politik-sachsen/keine-zustimmung-fuer-mueller-orden-5557975.html

8 https://www.saechsische.de/sachsen/politik-sachsen/eklat-im-saechsischen-landtag-um-orden-fuer-theo-mueller-5535791-plus.html