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Das Interesse an der Geschichte von der Menschwerdung Gottes im Lukasevangelium

Frage Frank Richter: Herr Junge, warum lesen Sie seit über 30 Jahren (ausgenommen 2020) am Heiligabend zu Ihren Weihnachtsprogrammen im Theaterkahn immer die biblische Weihnachtserzählung?

Warum interessiert Sie die Geschichte von der Menschwerdung Gottes im Lukasevangelium?

Antwort: Per Zufall erblickte ich das Licht der Welt in Schwerin in Mecklenburg, einem größtenteils christlich – protestantisch geprägten Landstrich. Es hätte auch in Tibet, Japan, Indonesien, Saudi-Arabien, Zentralafrika oder Indien sein können.

Die Mythen & Geschichten der Bibel haben in der Kindheit meine Weltvorstellung geprägt. In diesem Kosmos von Bildern, Gerüchen, Geräuschen, Riten & Symbolen bin ich verwurzelt. Sie haben mein Leben im Jahreslauf strukturiert. Bilder & Rituale zur Weihnachtszeit erwecken in mir ein Gefühl des Nachhause – Kommens, es ist tröstlich, denn da bin ich geerdet. Doch diese Verwurzelung hat nichts zu tun mit Rechthaberei, denn: was wäre wenn? Geburtsort nicht im christlichen Deutschland, sondern irgendwo unter Götzenanbetern?

Ich denke alles Religiöse, alles Philosophieren hat seinen Ursprung in der Suche nach einer Antwort auf die Frage: Was ist der Sinn des Lebens?

Wir sind ins Leben geworfen, hineingeboren in ein Universum des Unbegreiflichen, vielleicht sind wir die einzige biologische Spezies, die von der Evolution mit dem unbändigen Trieb ausgestattet wurde, wissen zu wollen, woher wir kommen & wohin wir gehen. Das Universum kennt keine Moral. Es ist weder gut noch böse, handelt manchmal sanft, aber unberechenbar auch mit Vulkanausbrüchen, Tsunamis, Taifunen, Erdbeben, Blitz & Donner. Hier ist nicht die Rede von menschengemachten Zerstörungen.

Das z. Zt. agierende Corona – Erdbeben öffnet im Mensch – Tier die Schleusen der uralten Ängste des homo sapiens: es gibt eine Gefahr – wer ist der Verursacher, wer hat Schuld, wer, was rettet mich? Der seit tausenden Jahren fragende Mensch hat die evolutionär entstandene Qualifikation erlangt, sich nicht sang – & klanglos mit Naturerscheinungen abzufinden. Das hat zur Folge: er sucht nach Erklärungen für kosmische, universelle Erscheinungen mit der ihm zur Verfügung stehenden menschlichen Meßlatte. Die Vulkane im pazifischen Feuerring sind für die dort lebenden Ureinwohner Götter, personifizierte Urgewalten, deren unberechenbare Wutausbrüche man mit Opferritualen zu befrieden beschwört.

Um das Unfaßbare in begreifbar menschliches Maß zu fassen, erfanden die Ägypter vor tausenden Jahren ein ganzes Gottheiten – Universum, in Mesopotamien entstand das Gilgameschepos, im Mittelmeerraum die antike Götterwelt, im Norden die Edda …

Immer & überall die Sinnfrage: woher, warum, wohin?

Dem Universum ist es schnurzegal, ob es so etwas wie Menschen gibt. Wenn wir unseren selbstgebastelten Selbstmord erledigt haben, werden überlebende Ratten & Kakerlaken keinen Gedanken an eine sich selbst ausrottende Spezies verschwenden.

Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis,

das Unzulängliche, hier wird es Ereignis,

das Unbeschreibliche, hier ist es getan –

das Ewig – Weibliche zieht uns hinan.

Das sind die letzten Worte im 2. Teil von Goethes Faust. 

Der brillante französische Aufklärungsphilosoph (& bekennender Atheist) Voltaire meinte: „wenn Gott nicht existiere, müsse man ihn erfinden.“

Ja, ich denke, wir brauchen das Göttliche als Lebenselixier.

Wir brauchen unserem menschlichen Faßbarkeit – & Vorstellungsvermögen entsprechende Gleichnisse, bildhafte Gestaltung, Personifizierungen. Seit Jahrtausenden die gleichen Sehnsüchte, Bilder, Sagen, Mythen, Märchen – ob Ägypter, Inkas, Juden, Muslime, Christen, Hindus – immer wieder: Gott – Mensch, Mensch – Gott – unterschiedliche Form, gleicher Inhalt.

Eine seit 2000 Jahren existierende Erzählung des – wie Goethe sagt – Unbeschreiblichen, findet sich im neuen Testament der Bibel- wieder.

Goethe: das Unzulängliche, hier wird es Ereignis.

Es steht geschrieben im 2. Kapitel des Lukas – Evangeliums.

Die Geburt Jesu – Gott wird Mensch.

Umkehrschluß: Göttliches im Menschen?

Das könnte, sollte als Begabungsauftrag & Verantwortung verstanden werden.

Woher & warum Urknall & wohin & in wie was dehnt sich das Universum ewig & unendlich aus? „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ soll Sokrates vor über 2000 Jahren gesagt haben. Ich bin seiner Meinung.

Ich würde hier jetzt gerne ein heißes Bekenntnis zum kategorischen Imperativ Immanuel Kants abgeben, begnüge mich aber mit einer inhaltlich entsprechenden Kurzfassung Erich Kästners: 

Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es.

Friedrich-Wilhelm Junge

Dresden am 21.12.2020