Wiedergabe eines Briefes voller Entsetzen, mit Einverständnis der Absenderin
Sehr geehrter Herr Staatsminister Armin Schuster,
schockiert reagiere ich auf die nächtliche Abschiebung der fünfköpfigen Familie Fuenmayor Bozo nach Venezuela.
Was rechtfertigt diese grausame, menschenverachtende Art und Weise der Abschiebung? Als Christin, Mutter, Großmutter, als engagierte Bürgerin stelle ich mir vor, welches Entsetzen, welches Trauma, welche Zukunftsängste, welche Qualen diese Vergewaltigung in den Erwachsenen und vor allem in den Kindern ausgelöst hat, in Menschen, die bewiesen haben, daß sie sich konstruktiv in unsere Gesellschaft einbringen und friedlich in verschiedenen Bindungen leben.
Auch stelle ich mir immer wieder vor, was passieren mußte, damit Familien ihre eigene Heimat, ihre Großfamilie, ihre Nachbarn, Freunde, ihr Hab und Gut verlassen und eine völlig risikoreiche, auch lebensgefährliche Flucht antreten. Ich bin mir sicher, daß das niemand, außer einiger Krimineller, leichtfertig tut! Diese kriminellen Gefährder und Zerstörer unserer Gesellschaft gilt es auszuweisen.
Ich bin 1958 in der DDR geboren. Meine Mutter mußte ihren bundesdeutschen Paß abgeben, als sie meinem Vater zuliebe nach Dresden übersiedelte. Das bedeutete Trennung von ihrer Familie, die weiterhin im Westen lebte. Sie durfte ihre krebskranke Mutter nicht besuchen, sie durfte sie nicht beerdigen. Meine Mutter hat darunter bis ins hohe Alter hinein gelitten und mich hat es stark geprägt.
Bitte lassen Sie diese unberechenbare, angstauslösende, Familien zertrennende Abschiebepraxis nicht weiter zu. (Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß Sie ruhig schlafen können, wenn Sie sich solche von Ihnen gebilligten Szenarien vorstellen, wenn Sie sich ausmalen, was die Familien nach ihrer Rückkehr erwartet.)
Mit besorgten, aber auch hoffnungsvollen Grüßen
Ulrike Titze
freischaffende Musikerin
katholische Christin
ehrenamtliche Mitarbeiterin in der JVA Bautzen