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Immer wieder Hilferufe


Sächsische Ausländerbehörden sollten Brücken in den Arbeitsmarkt bauen. Stattdessen verhindern oder erschweren sie die Arbeitsaufnahme von Asylsuchenden.

Frank Richter: „Wo bleibt das zugesagte ‚sächsische Chancenaufenthaltsrecht‘?“

Aktuelle Wortmeldungen aus dem ländlichen Raum 

Frank Richter: 

„Das Baugewerbe, die Gastronomie, die Pflege, Caterer, Reinigungsfirmen, kulturelle Einrichtungen und weitere Branchen suchen nicht nur hochqualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie suchen händeringend auch nach niedrig Qualifizierten und Ungelernten. Sachsen hat keineswegs „nur“ Fachkräftemangel. Im Land herrscht Arbeitskräftemangel. 

Ausländerbehörden sollten Brücken in den Arbeitsmarkt bauen. Integrierte, Familien mit Kindern, arbeitssuchende oder bereits in Arbeit befindliche Asylbewerber sollten von kostenintensiven Abschiebungen ausgenommen werden. Es ist unvernünftig, sie jahrelang in Unsicherheit zu halten. Aber auch die Arbeitgeber brauchen Sicherheit. Die Ausländerbehörden sollten Partner von Wirtschaft und Gesellschaft sein und sich als solche verhalten. 

Ich fordere das Staatsministerium des Innern auf, die Ausländerbehörden, welche ihm in Fachaufsicht unterstellt sind, noch stärker als bisher zu bewegen, vorhandene Spielräume im Sinne der Betroffenen auszufüllen. Sachsen braucht im Ganzen einen menschen-, gesellschafts- und wirtschaftsfreundlicheren Umgang mit den hier lebenden Ausländern.     

Seitdem ich mich für Asylsuchende einsetze und meinen Protest gegen inhumane Abschiebungen öffentlich mache, erreichen mich nahezu täglich Hilferufe. Zunehmend kommen diese von Arbeitgebern. Sie protestieren gegen die Abweisung von Asylsuchenden, die über viele Jahre in Ungewissheit gehalten werden, nicht arbeiten dürfen, obwohl sie arbeiten wollen. Infolge schleppender oder abweisender Behandlung in den Ausländerbehörden sind sie frustriert und verlieren ihren Integrationswillen. 

Ungezählte Asylsuchende werden auf Kosten der Steuerzahler alimentiert, obwohl sie arbeiten könnten, obwohl sie statt Sozialhilfe zu empfangen, Steuern zahlen könnten.  

Ungezählte Arbeitgeber verzweifeln an bürokratischen Hürden, die eine Anstellung von Schutzsuchenden erschweren oder verhindern. 

Vielen Geduldeten mit Arbeitserlaubnis wird der Alltag unnötig erschwert, weil die Behörden darauf bestehen, dass sie fernab vom Arbeitsort wohnen. („Wohnsitzauflage“)“

dazu ein Beitrag auf n-tv.de

dazu ein Artikel in der ZEIT

dazu ein Artikel in der Freien Presse

Der Sächsische Staatsminister des Innern, Armin Schuster, formulierte in einer öffentlichen Veranstaltung (Sachsensofa) vor einem Jahr, am 28. Februar 2023, in Augustusburg:

„Wer arbeitet, Identität geklärt hat, integriert ist, keine Strafen, für den gilt der 25b Aufenthaltsrecht. Das ist juristisch sehr, sehr grenzwertig. Ich sag’s nochmal: Aber das betrifft eine Menge Menschen. Wenn Sie so wollen, ist das mein sächsisches Chancen-Aufenthaltsrecht. Dafür brauche ich den Bund nicht.“ 

Hier einige gegenteilige Wortmeldungen: 

Maik Linke, Bauunternehmer aus Elsterberg, Vogtland: 

„Im Kern geht es darum, Geflüchteten und deren Arbeitgebern Rechtssicherheit und damit Investitionssicherheit zu geben, dass Geflüchtete, die einer Sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen, nicht abgeschoben werden, auch wenn der Asylantrag abgelehnt wird. 

Das ist nötig, weil auf Bundesebene bisher noch kein, hier erwähnenswertes Einwanderungsgesetz verabschiedet wurde. Zur Überbrückung müssen wir die hier bereits vorhandenen Migranten, unabhängig von Bleibe-Perspektiven, in Arbeit bringen können. Das geht aber nur durch die Sicherheit, die ein Erlass bieten würde. Ähnlich wie in Thüringen. 

Wenn es der Entscheidungsebene nicht möglich ist bedarfs- und zielgerichtete Politik voranzutreiben, um ernsthaft die strukturellen Probleme – insbesondere im ländlichen Bereich – zu lösen, sehe ich und auch andere keine Zukunftsaussichten. Ich persönlich sehe langfristig keine Perspektive für mein Unternehmen, wenn nicht jetzt reagiert wird. … Bei Fragen stehe ich gerne jeder Zeit zur Verfügung.“ 

Dr. Birgit Wagner, Geschäftsführerin der Diakonie Löbau-Zittau

„Die Diakonie Löbau-Zittau beschäftigt derzeit etwa 300 Mitarbeitende im Bereich der Altenhilfe. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden rund 30 Pflegefach- und Hilfskräfte in den Ruhestand gehen, und ihre Positionen sind kaum zu ersetzen. Es bedarf dringend engagierter Personen, die gerne mit Senioren arbeiten, unabhängig von ihrer Nationalität, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Insbesondere im ländlichen Raum Löbau-Zittau mangelt es nicht nur an Fachkräften, sondern zunehmend auch an Hilfskräften. Wir können die Herausforderungen im Bereich der Altenhilfe ohne Unterstützung aus dem Ausland nicht bewältigen. Allerdings kommen oder bleiben Menschen nicht in Löbau-Zittau, weil es an einer Willkommenskultur fehlt. 

Ich beziehe mich nur auf die Altenhilfe, weil dort die Not am größten ist, die meisten Mitarbeitenden gebraucht werden. Hier ist es auch besonders gravierend, dass wir z.B. Asylbewerber:innen nicht als Pflegehelfer:innen einstellen können. Das wäre für viele eine tolle Chance und für uns eine echte Hilfe. Das gilt auch für die übrigen Bereiche in der Altenhilfe, wie Küche, Hausmeister und Reinigungsdienst… Sollten Sie noch Fragen haben, stehe ich jederzeit zur Verfügung!“ 

Schwester Katharina, CVJM Schlesische Oberlausitz 

„… dazu glaubt Deutschland, die Zahl der Asylsuchenden in unserem Land senken zu können. Förderungen für Arbeit im sozialen Bereich sind aufwendig und wiederholt zu beantragen. Kürzungen bei Migrationsdiensten und für Sozialarbeit sind in Aussicht gestellt. Geflüchtete sollen schneller in Arbeit kommen, aber es fehlt die Struktur wie z.B. Sprachkurse und Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsabschlüsse… 

Kürzungen bei den Leistungen für Asylbewerber sind angekündigt worden trotz steigender Lebenshaltungskosten. Erfahrungsgemäß führt das zu steigender Kriminalität (z.B. Schwarzfahrten, Schwarzarbeit, Diebstähle …), und damit wird die Stimmung vermutlich weiter angeheizt. Geflüchtete, die ihr Geld in Bildung investiert haben, bekommen es schwerer gemacht und müssen noch mehr verzichten. Teure Klagen zur Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthaltes werden unwahrscheinlicher, weil das Geld für den Rechtsanwalt nicht reicht. 

Hier einige kurze Beispiele aus meiner Praxis:
Vor einigen Tagen sprach ich mit einem jungen Syrer. Er ist Arzt und hat bereits die Gleichwertigkeitsprüfung seiner Abschlüsse in Nordrhein-Westfahlen durchführen lassen. Allerdings wird die in Sachsen nicht akzeptiert. Er müsste also die wesentlich strengere Prüfung seiner Unterlagen in Sachsen noch einmal wiederholen, monatelang auf das Ergebnis warten und wiederholt teuer bezahlen. In welchem Bundesland wird er wohl arbeiten?
Ein gebürtiger Mann aus Kamerun, der in Russland 16 Jahre als Urologe arbeitete, hat ebenfalls in den letzten Wochen unsere Region verlassen. Der für ihn notwendige Sprachkurs für Ärzte kann nächstliegend in Dresden absolviert werden und ist in Sachsen wesentlich teurer als in anderen Regionen Deutschlands.

Sehr eindrücklich ist mir der Bericht von Maria aus dem Iran in Erinnerung. Sie erzählte, wie sie das Lehrbuch für die deutsche Sprache auf den Tisch neben die Mahlzeit legte und zu ihrem Mann sagte: ‚Das ist unser Fleisch. Wir müssen uns entscheiden zwischen Bildung oder Essen.‘ 

Leider kann ich nicht mit aktuellen Zahlen dienen. Aber ich erinnere mich, dass bis vor gut zwei Jahren die Zahl der gewonnenen Klagen der Afghanen bei etwa 40 Prozent lag. … Das zeigt, wie nötig Klagen zur Korrektur sind. Jemand kommentierte damals in etwa so: ‚Wenn diese Fehlerquote in der Wirtschaft auftreten würde, dann würden Köpfe rollen.‘ Liebe Leser, die aktuelle Politik macht mich sprachlos…“ 

Weiterführend: 

Die Sächsische Zeitung vom 18.07.2023 berichtet unter der Überschrift „Wieso die Fahrzeugelektrik Pirna Arbeitskräfte aus Venezuela gewinnt“: 

Inzwischen beschäftigt das (vormals unter Arbeitskräftemangel leidende – d. A.) Unternehmen FEP (Fahrzeugelektrik Pirna) 24 Mitarbeiter und einen Azubi aus Venezuela – ein möglicher Weg, um das Arbeitskräfte-Defizit zu kompensieren, was sich noch weiter verschärfen wird. Laut Ministerpräsident Kretschmer brauche man in Sachsen bis zum Ende dieses Jahrzehnts rund 100.000 Arbeitskräfte, um den Mangel auszugleichen. Er lobte das Pirnaer Projekt, dass in diesem Fall sehr dem eigenen Tun zu verdanken ist. „Wenn sich das herumspricht, haben vielleicht andere Betriebe ähnliche Ideen“, sagt der Ministerpräsident. Er will sich unterdessen dafür einsetzen, dass Asylbewerber, die hier eine feste Arbeit haben und bleiben wollen, auch bleiben dürfen. 

Für die FEP war der Weg nicht ganz problemfrei. So wurde das Unternehmen erst mit dem Venezuela-Projekt auf die ganzen zuständigen Behörden und Ämter aufmerksam – von denen sich die FEP allerdings schon im Vorfeld Infos gewünscht hätte, wie man ein solches Modell angeht. Laut der FEP müsse man künftig die Betriebe noch stärker mit arbeitssuchenden Asylbewerbern und den Arbeitsämtern vernetzen, die nun ihren Schwerpunkt auch auf die Vermittlung von Asylbewerbern legen sollten. Hinzu kam, dass Asylbewerber während des laufenden Verfahrens nicht umziehen dürfen – sie aber von den Dörfern kommend Probleme hatten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schicht zu kommen. Einige von ihnen schliefen daher nachts heimlich im Betrieb, um am nächsten Morgen pünktlich da zu sein. Nach Aussage von Glinski (Geschäftsführer – d. A.) müsse man daher solche Prozesse entbürokratisieren. Kretschmer sagte, man müsse jetzt schauen, ob die eingeschlagenen Wege noch die richtigen sind. Möglicherweise müsse künftig die Integration von Asylbewerbern über den Arbeitsmarkt die Hauptrolle spielen – statt sie zunächst nur von einem Deutschkurs zum nächsten zu schicken. Das Modell der FEP sei dafür ein Vorzeige-Projekt. 

Frank Richter, MdL