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Was verdienen Künstler_innen? Eigentlich.

Donatus Weinert Foto: Frank Berger

Die Veranstaltung am Abend des 1. Mai 2023, dem Tag der Arbeit, stellte die Frage nach den Arbeits- und Einkommensverhältnissen von Künstlerinnen und Künstlern in Deutschland. 

Antworten gaben diese selbst, aber auch Verantwortliche aus der Wirtschafts- und Kulturpolitik meldeten sich zu Wort. 

Die Diversität der Branche verhindert es, einen schnellen und einfachen Überblick zu bekommen. Auch die von manchen gewünschte wohlfeile Antwort, wie die soziale Absicherung derer, die sich der Kunst, der Kultur und der Kreativität verschrieben haben, herzustellen ist, konnte nicht gegeben werden. 

Was die Abendveranstaltung auf dem Theaterkahn brachte, waren eindrückliche Erkenntnisse über die zum Teil prekären Arbeits- und Einkommensverhältnisse sowie die wichtigen Orientierungen, wie und durch wen diese verbessert werden können.

Wer eigene Vorschläge unterbreiten mag, sende diese bitte an:

kontakt(Replace this parenthesis with the @ sign)kulturforum-sachsen.de

Hier nun einige Impressionen in Wort und Bild.

Antje Schneider (freie Fernsehautorin), Prof. Dr. Marion Ackermann (Generaldirektorin der SKD) und Frank Richter
Wirtschaftsminister Martin Dulig, Franziska Maschek MdB und Frank Richter

Per Video wurde ein Interview mit Dr. Carsten Brosda, dem Vorsitzenden des Kulturforums der Sozialdemokratie, eingespielt. Hier beide Beiträge:

Authentische Aussagen einer soloselbständigen Schauspielerin, alleinerziehende Mutter, die anonym bleiben möchte. „Teresa“ ist ein Pseudonym.:

Frage 1:

Teresa, so nenne ich Dich heute mal, Du bist „frei“ schaffende, „solo-selbstständige“ Schauspielerin, richtig?

Antwort 1:

Ja, Einzelunternehmerin laut Steuerbescheid mit Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse.

Frage 2:

Schildere uns bitte Deinen Arbeitsalltag, bitte mit Höhen und Tiefen, bitte auch in all seiner Wechselhaftigkeit…

Antwort 2:

Ich stehe um 6 Uhr morgens auf, mache meine Kinder schulfertig und bin dann – wenn ich keine Proben oder Vorstellungen habe – im Homeoffice.

Ich habe ein eigenes Theaterlabel, beantrage Gelder bei Förderungen, vermittele meine eigenen Stücke, bin also mein eigenes Management.

Ich handele Verträge aus und spreche mit potentiellen Auftraggebern, Förderern, Veranstaltern, koordiniere Proben, organisiere Probenräume, tätige Kostümeinkäufe, mache Überweisungen etc.

Ab und zu arbeite ich für Film und TV, für Imagefilme,als Coach, Theaterpädagogin, Moderatorin, Texteschreiberin, Dozentin, Regisseurin, aber auch, wenn es nicht gut läuft, zusätzlich in anderen Berufen, wie z.B in der Gastro, als Reiseleiterin und auch mal als Reinigungsfrau, denn ich habe alleinerziehend zwei Kinder zu ernähren und am Ende des Monats fragt mein Vermieter nicht, mit was ich mein Geld verdiene.

An anderen Tagen spiele ich in Kindergärten und Schulen, oder probe neue Stücke. Ich arbeite i. d. Regel bis 16 Uhr und versuche, danach für meine Kinder da zu sein, wenn nicht Termine oder Vorstellungen anderes erfordern.

Ich gehe gegen 22.00 ins Bett und bin dann auch meist ziemlich erschlagen.

Frage 3:

Was magst Du am liebsten an Deiner Arbeit?

Antwort 3: 

Die Freiheit, das zu wählen, was ich machen möchte. Inzwischen auch die Freiheit, Aufträge abzulehnen. Mit Menschen unterschiedlichster Art und Herkunft zu tun zu haben.

Ich liebe es, in andere Berufsfelder hineinzuschnuppern, wie zum Beispiel bei meiner Arbeit an Schulen und im Uniklinikum als Schauspielpatientin.

Dass ich als freie Künstlerin tätig bin ist meine persönliche Entscheidung.

Frage 4:

Und was stört Dich, was belastet Dich daran am meisten?

Antwort 4:

Die größtenteils schlechte Bezahlung und fast völlig fehlende soziale Absicherung.

An den meisten freien Bühnen werden Proben, in der Regel 6 Wochen, nicht bezahlt, und in einem nicht ganz ungefährlichen Beruf besteht keine Unfallversicherung während der Arbeitszeit.

Mich stört auch der Stand den Schauspieler teilweise noch in der Gesellschaft haben. Es haftet uns ein Ruf von „Das fahrende Volk“ an oder sogar: „ist schon nahe dran am horizontalen Gewerbe“.

Ich höre oft von netten interessierten Menschen Sätze wie: „Ich habe das auch als Hobby, da machen wir ja dasselbe.“ oder nach Vorstellungen: „Und was arbeiten Sie tagsüber so?“

Man wird oftmals als Exot gesehen, als „verrückter Künstler“, als jemand, der Chaos braucht, um kreativ zu sein.

Dabei ist das ein großer Irrtum. Man muss sogar sehr gut strukturiert sein als freier Künstler.

Man wird belächelt, bewundert, beneidet „ich könnte das nicht“ höre ich oft.

Aber nie, oder höchst selten, wird man behandelt wie ein Frisör, ein Handwerker, eine Ärztin, ein Rechtsanwalt, eine Kindergärtnerin etc.

Frage 5:

Ganz offen gefragt: Wieviel Geld bleibt übrig im Monat?

Antwort 5: 

Manchmal 1000,- und manchmal minus 1000.-, so dass ich mir etwas für die Miete leihen muss.

Unterm Strich: ich kann von der Hand in den Mund leben, ernähre meine Familie allein und mit meinem Beruf, aber es bleibt nichts für einen Urlaub, Extras oder zum Beispiel den Kauf eines Autos, was ich zwar für meinen Beruf bräuchte, da ich viel mobiles Theater mache, aber sternenweit davon entfernt bin, es zu erwerben oder auch es zu unterhalten.

Ich kann nichts zurücklegen und nur ganz selten sowas wie ein Mini Polster aufbauen von ein paar hundert Euro. Die reichen dann für Weihnachtsgeschenke, für einen Mini Trip mit den Kindern mit dem Zelt in die Seenplatte oder in den Spreewald. Oft aber nur, um eine Heizkosten – oder Stromnachzahlung zu bezahlen.

Da ich alleinerziehend bin, bekomme ich Wohngeld, da ich mir die tausend Euro warm für meine Wohnung leider nicht leisten kann. Um diese zu bekommen, musste ich mit einem Trick arbeiten.

Vermieter haben mir bei Wohnungsbesichtigungen damals gesagt, als ich schwanger war und ein kleines Kind an der Hand hatte: „Schwanger? Alleinerziehend? Künstlerin? Selbständig? – nee, auf keinen Fall. Mit Mann gerne. Aber so – nicht.“ Das war jetzt Originalton. Ich muss sagen, da kam ich mir wirklich diskriminiert vor und habe den ganzen Tag geheult.

Frage 6:

Wieviel wirst Du haben – im Alter, also dann, wenn „man“ oder „frau“ so durchschnittlich in Rente geht?

Antwort 6:

Zwischen 300 und 600 Euro. Ich werfe Rentenbescheide meistens gleich in die unterste Schublade des Schreibtischs. Das geht aber vielen, eigentlich den meisten Kleinunternehmern so.

Das ist ein generelles Problem der Selbständigkeit. Selbst. Ständig.

Da ich als Schauspielerin auch im Alter noch spielen möchte, habe ich sogar noch Glück in gewisser Weise. Aber man darf natürlich nicht krank werden. Wirklich ausruhen im Alter ist nicht drin.

Frage 7:

Und was ist, wenn Du mal krank werden solltest?

Antwort 7:

Ich darf nicht krank werden. So einfach ist das.

Ich war letztes Jahr krank, Diagnose: Burnout, und sollte sechs Wochen in einer Klinik bleiben. Ich habe mich nach zwei Wochen selbst entlassen, weil es eben nicht geht.

Ich kann ja nicht sechs Wochen kein Geld verdienen, ich habe keinen Partner, der da die Miete weiterträgt und keine wohlhabenden Eltern.

Ich habe auch drei Wochen nach der Geburt meines Kindes wieder auf der Bühne gestanden. Man bekommt zwar ein wenig Mutterschaftsgeld, wenn man in der KSK ist, aber das ist so gering, dass man davon ja nicht leben kann.

Sollte die Gesundheit völlig flöten gehen, zum Beispiel in Form eines Beinbruchs oder was richtig Schlimmes, so greift dann das Bürgergeld und ein wenig Krankengeld, denke ich mir.

Eine Krankentagegeldversicherung kann ich mir nicht leisten und die freiwillige Arbeitslosenversicherung ist auch so hoch, dass es nicht geht.

Frage 8:

Familie, Kinder…? Wie kompatibel sind diese schönen Dinge des Lebens mit Deinem Beruf?

Antwort 8:

Viele meiner Kolleginnen sind spätestens mit dem 2. Kind auf andere Berufe umgestiegen.

Kinder sind fast gar nicht kompatibel mit dem Beruf des Schauspielers. Auch an festen Häusern nicht.

Ich habe mich soweit umgestellt, dass ich fast keine Abendstücke spiele derzeit, sondern vorrangig Kinderstücke und Stücke in Eigenproduktion, bei denen ich selbst die Probenzeiten(mit)-bestimmen kann.

Es gab Jobs, wie z.B. meinen Job als Dozentin an der Uni, da habe ich in den Jahren 2013-2018 50 Euro für eine Doppelstunde bekommen, inklusive Fahrtweg, Vorbereitung des Kurses und Fahrtkosten und Materialkosten.

Wenn ich dann für den Abend eine Babysitterin engagieren musste, habe ich 30 – 40 Euro für 4 Stunden Babysitting bezahlt – da wird der Job schnell etwas sehr ideelles.

Wenn mein Kind krank wird, habe ich nie den „Luxus“ zu Hause bleiben zu können.

Wenn ich eine Vorstellung nicht spielen kann, dann bekomme ich kein Geld. So einfach ist das.

Egal ob ich krank bin oder das Kind.

Frage 9:

Was muss sich ändern, damit Du die Freude an Deiner Arbeit nicht verlierst?

Antwort 9:

Ein wenig mehr Sicherheit in allen sozialen Fragen. Absicherung fürs Alter, im Krankheitsfall, kostenlose ehrenamtliche Kinderbetreuung… Wertschätzung.

Als Frau Merkel zu Beginn der Pandemie von systemrelevanten Berufen sprach – das hat bei allem Respekt für die Berufe, die hier gemeint waren, die Stellung des Künstlers in der Gesellschaft gezeigt.

Wir sind nicht systemrelevant.

Aber ist nicht Kultur schon deshalb systemrelevant, weil sie bildet? Immer?

Frage 10:

Kann der Staat was für Dich tun?

Antwort 10:

Die KSK ist eine fantastische Sache. Unbedingt beibehalten. Sie stand schon manchmal kurz vor der Abschaffung. Das wäre der Tod jeder freien Kultur.

Zusätzlich muss sich in Sachen Kinderbetreuung etwas ändern. Kostenlose Kinderbetreuung in kleinen Gruppen und das bis 23 Uhr oder über Nacht wäre eine Idee… quasi eine Betreuung, die sich nach den reellen Arbeitszeiten richtet, wie von Schichtarbeitern – nichts anderes sind Theaterschaffende.

Früher gab es Theaterkindergärten an manchen Häusern, erzählte mir eine Kollegin.

Eine Erhöhung der Honorare wie vom Bundesverband der freien Theater gefordert. Theaterschaffende haben keine Lobby und keine Gewerkschaft, die Druck machen kann.

Wenn wir sagen: „wir spielen heute nicht“, da habe ich das Gefühl, das juckt ja niemanden.

Frage 11:

Kann das Publikum was für Dich tun?

Frage 12:

Kommen!!! 🙂 Und fair bezahlen.  

weitere Mitwirkende waren:

Die Veranstaltung wurde organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung (Sachsen) und vom Kulturforum der Sozialdemokratie Sachsen e.V.

Hier gehts zu einem Artikel auf DNN online