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Zum Tod von Wolfgang Uhlmann, dem Schachgroßmeister der DDR und Dresdner Urgestein

Foto: screenshot Donnerstagsgespräch mit Frank Richter der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung 2015

Frank Richter: „Ich trauere um Wolfgang Uhlmann. Ein großartiger Mensch ist gegangen…“

Es gibt Menschen – sie sind nicht in der Mehrzahl, denen begegnet man nur wenige Male und doch bleiben sie einem für immer in Erinnerung. Wolfgang Uhlmann, der einzige Welt-Schachgroßmeister der DDR, ein Dresdner Urgestein, war für mich ein solcher Mensch. Er war klug, charmant, bescheiden, zuvorkommend, zurückhaltend und außerdem überaus humorvoll. Im März 2015 hatte ich das Glück, ihn in der Landeszentrale für politische Bildung interviewen zu können.

Unvergesslich ist mir sein Bericht, wie es ihm hinter dem Rücken der SED-Sportfunktionäre immer wieder gelang, zu Meisterschaften in die große weite Welt zu fahren. Wenn man es ihm in der DDR verbot, dann telefonierte er mit seinen sowjetischen Schach-Kameraden. Diese wiederum riefen im Politbüro der KPdSU an und von dort aus erging eine Anordnung ans Politbüro der SED in Ostberlin. „Auf diesen Umwegen ist es mir gelungen, fast jede gewünschte Auslandsreise zu bekommen.“ Wolfgang Uhlmann war der weltweit größte Experte in der französischen Verteidigung. Er unterrichtete spätere Weltmeister. Er trug ein charmante Lächeln in seinen Gesichtszügen – es schien wie angeboren, in Wirklichkeit war es das erworbene Charaktermerkmal eines Menschen, der im Spiel seine menschliche Erfüllung gefunden hat. Wolfgang Uhlmann war das lebende Beispiel dafür, dass ein durchrationalisiertes und durchkapitalisiertes Leben nicht glücklich macht, sondern dass der Mensch zu sich selbst findet, wenn er sich innerhalb vernünftiger Regeln frei und emphatisch zu entfalten lernt, wenn er Freude daran hat, sich in sein Gegenüber hinein zu versetzen, wenn er fair und konzentriert ist und verlieren kann, ohne deshalb den Gewinner zu verachten. Wolfgang Uhlmann war zutiefst geprägt von humanistischer Bildung. Ich verneige mich vor seiner Lebensleistung und bin traurig darüber, dass er nicht mehr unter uns ist.                    

Frank Richter, 26.08.2020